Karate-do auf besonderem Niveau...

19.01.2014 -

Sensei Marchini sagte bei der Verabschiedung sinngemäß, dass "...er sich entschuldige für dieses schwierige Karate-do, doch es sei das interessanteste und schönste Karate-do, das man sich vorstellen kann...". Dieser Satz fasst das Wochenende in ausgezeichneter Weise zusammen, denn es war wirklich "schwieriges Karate-do", dass der Sensei mit uns übte und erarbeitete.

Zentrale Aspekte des Lehrganges waren kamae, waza und zanshin. Diese Worte sind den meisten Karateka gut bekannt und sie finden auch gleich einigermassen korrekte Übersetzungen. Kamae ist somit für viele der Übenden oberflächlich betrachtet das Einnehmen einer Kampfposition, wenigen ist hingegen bekannt, das kamae eigentlich "Bereitschaft" bedeutet. Und hier wirds schon einigermassen umfangreich, denn "bereit sein" im Sinn von kamae muss man in Körper und Geist. Sich also "einfach nur hinzustellen" ist daher zuwenig, vielmehr geht es z.B. um die Haltung der Augen (metsuke), das Gleichgewicht (ku), die Atmung (kokyu), die Distanz (ma ai) und noch einige andere Komponenten. Für richtiges kamae im Sinn des Karate-do braucht der Übende dann natürlich auch die geistige Bereitschaft (ki gamae), zu der z.B. zanshin, yomi (Voraussehen), kihaku (Kampfgeist), sen (Initiative) oder auch kikai (Gelegenheit) gehören. Betrachtet man nun alle diese Komponenten gemeinsam im Sinn von kamae,
dann wird klar, dass es sich um einen sehr komplexen Vorgang
bzw. Zustand handelt und der Karateka im Lauf des fortwährenden Trainings die
Fähigkeit entwickeln muss, diesen Zustand vor der Ausführung Technik (waza) rasch einzunehmen.
Zanshin als dritter Begriff in der obigen Reihenfolge meint im übertragenen Sinn die Geistesgegenwart bzw. die rechte Aufmerksamkeit, die während des gesamten Kampfgeschehens aufrechterhalten werden muß. Das bedeutet einen Zustand, aus dem heraus der Karateka in der Lage ist, "unbefangen und frei" vom Ende einer Bewegung in die nächste überzugehen. Zanshin muss daher  vor, während und nach der Kampfhandlung aufrechterhalten bleiben, um im Sinn der Kampfkunst "ganz in der Gegenwart zu sein".

Sensei Marchini erarbeitete mit uns auf Basis dieser Sichtweise eine Reihe von Technik-Kombinationen im Kihon, wobei jeweils Arm- und Beintechniken in scheinbar einfacher Form zusammengeführt wurden. Bereits hier zeigte sich, dass nur die "Anwesenheit" aller Komponenten von kamae, waza und zanshin eine kraftvolle und schnelle und dabei auch halbwegs fehlerfreie Ausführung der Übung ermöglicht.

Der Lehrgang wurde inhaltlich abgerundet mit dem intensiven Studium der drei Tekki Kata und ausgewählter Bunkai-Kombinationen, die in der Tekki-Reihe enthalten sind. Der Sensei demonstrierte auch sehr nachvollziehbar die trotz ähnlichen Namen unterschiedlichen Ausbildungskonzepte der drei Kata. Während bei Tekki shodan der "kraftvolle Schlag" im Vordergrund steht, fordert die Übung von Tekki sandan zusätzlich noch sehr umfassend die koordinativen Fähigkeiten des Karateka. Am Samstagabend wurden dann noch in einer eigenen Bunkai-Spezialeinheit zusätzliche Aspekte des Kampfes gezeigt und geübt. Auch hier zeigte sich die Vielfalt der in den Kata innewohnenden technischen Möglichkeiten und Interpretationen und vor allem auch der Unterschied in der Ausführung, wenn kamae, waza und zanshin ausreichend und in richtiger  Reihenfolge vorhanden sind oder eben nicht...

Sensei Marchini und Restelli führten uns an diesem Wochenende wieder in einen besonderen Abschnitt innerhalb der Welt des Karate-do und sie schafften es leicht die Teilnehmerinnen und Teilnehmer an ihre Grenzen zu führen und gleichzeitig zu begeistern - herzlichen Dank für diese Art des Trainings!

Ausserdem möchten wir uns herzlich bedanken bei unseren Gästen aus Österreich, Italien, Deutschland, der Schweiz und Russland für ihren Besuch sowie bei allen Helferinnen und Helfern, die uns kulinarisch verwöhnt haben und auch bei unserem Fotokünstler Pepi für die Dokumentation!