Karate-do Lehrgang mit Dario Marchini in Schwanenstadt

25.10.2008 -

Dieser Lehrgang ist einer der ältesten Karatelehrgänge in Österreich und findet heuer bereits zum 18. Mal statt. Mehr als 70 Karateka aller Graduierungen trafen sich am Freitag abend zum ersten Training in der Ballsporthalle.


Freitag, 24.10.2008:

Im Mittelpunkt des ersten Teils des 2stündigen Trainings stand für alle Teilnehmer gemeinsam anspruchsvolles Kihon, das auch mit dem Partner trainiert wurde, wobei Oberstufe und Dan-Träger zusätzliche Aspekte der Techniken intensiv üben konnten. Besonders wichtig war Sensei Marchini dabei "maai", die korrekte Distanz zum Ziel (ma = Raum, ai = Harmonie) als die wesentliche Grundlage für Ausführung und Wirksamkeit von Karate-Techniken.


Der zweite Teil des Trainings war dem intensiven Studium von Kata und Anwendung gewidmet. Die Unterstufe (gelb bis blau) übte geleitet von Sensei Restelli die Kata Heian Yodan und zwei Anwendungsmöglichkeiten. Heian Yodan ist die vierte der fünf "Grundkata", diese sollen von Itosu Yasutsune (einer der Lehrer von Funakoshi Gichin) etwa 1905 entwickelt worden sein. Die Grundkata dienen dem Üben der fundamentalen Techniken. Der Name "heian" stammt aus der Kontraktion der Schriftzeichen heiwa (Frieden) und antei (Stabilität).


Oberstufe und Dan-Träger beschäftigten sich unter den kritischen Augen von Maestro Marchini sehr vertieft mit der Kata Enpi ("Flug der Schwalbe"). Die Auf- und Abbewegungen bei der Ausführung der Kata erinnern an die wendigen Flugwegungen der Schwalbe, verursacht durch die ständigen Verlagerungen der Hüfte von oben nach unten und die vielen Richtungsänderungen. Enpi (nicht zu verwechseln mit der Technik des Ellbogens Empi!) hat ihre Wurzeln im Tomari Te und ist eine der ältesten Kata des Shotokan. Die Kata wird auch Wanshu genannt (nach einem chinesischen Kampfkunstexpterten Sappushi Wanshu, der 1683 als einer der ersten Chinesen nach Okinawa kam und diese Kata in der Gegend von Tomari lehrte).


Samstag, 25.10.2008, Vormittag bzw. Nachmittag:

Nach Trainingsbeginn um 10 Uhr übten alle Teilnehmer wieder intensiv einige anspruchsvolle Kihon-Techniken, zuerst einzeln langsam bzw. mit Kime und dann gemeinsam mit dem Partner. Ziel des gemeinsamen Übens war  wiederum, dass jeder für sich ein Gefühl für die richtigen Distanz (maai) entwickelt. Maestro Marchini wies neben den Ausführungen zur richtigen Distanz insbesondere auch auf die wesentliche Bedeutung der Phasen zwischen den einzelnen Techniken hin, deren Beherrschung und dauernde Verbesserung jeden Karateka in jedem Training unmittelbar begleitet.


Im zweiten Teil des Trainings beschäftigte sich die Unterstufe wieder ausführlich mit der Kata Heian Yodan und einer Reihe von Anwendungsmöglichkeiten, die jeweils von Sensei Restelli gezeigt und dann mit dem Partner geübt wurden. Oberstufe und Dan-Träger erarbeiteten die Kata Kanku Sho (den Himmel erblicken, Himmelsschau - klein). Meister Itosu kreierte diese Kata aus der älteren Kanku Dai, sie erhielt ihren Namen wegen der Ähnlichkeit von Form und Embusen zur Kanku Dai.


Ein herzliches Dankeschön noch an unseren heutigen Fotografen Hr. Buchinger :)


Sonntag, 26.10.2008:

Die Trainingseinheit begann nach dem Aufwärmen für alle Teilnehmer wieder mit dem Üben des nunmehr schon bekannten anspruchsvollen Kihon bestehend aus insgesamt 18 Arm- bzw. Beintechniken, zuerst langsam und dann mit Kime (jeweils links und rechts). Maestro Marchini betonte, dass diese Übungen unabhängig von der Graduierung Körper und Geist in vollem Umfang fordern und das können sicherlich alle Karateka bestätigen. Das Üben solcher langer zusammengesetzter Kombinationen ist insbesondere wichtig, weil eine gute und wirksame Technik unabhängig vom Geist aus dem geübten Körper kommen soll. Ein Nachdenken "...welche Technik jetzt im Augenblick gegen einen Angriff eingesetzt werden muß..." ist unmöglich und fern jeglicher Realität, weil zu langsam und keinesfalls wirksam - daher muß die Technik aus dem Körper kommen.


Der zweite Teil des Trainings gehörte wieder dem Üben von Kata. Zuerst wurde gemeinsam Heian Yodan vertieft, für die Oberstufe bzw. Dan-Träger in der Form ura (verkehrt) bzw ko (Techniken rückwärts). Dann zeigte uns Maestro Marchini insgesamt fünf Anwendungen zu den Techniken am Beginn der Kata. Hier wurde deutlich erkennbar, welche Möglichkeiten des vertieften Studiums sich allein bei dieser "Grundkata" ergeben, es ist erstaunlich, welche Fülle an Anwendungen Heian Yodan innewohnen.

Danach begann für die Unterstufe unter Leitung von Sensei Restelli die Übung von Heian Godan, die höher-graduierten Teilnehmer beschäftigten sich mit Unsu ("Hand in den Wolken"). Die Anfangsbewegungen bzw. das Aufstehen aus der Bodenlage symbolisieren ein Wegschieben der Wolken mit den Händen. Unsu ist mit ihren vielfältigen Techniken eine der höchstentwickelten Kata und wurde erstmals 1922 erwähnt.


Am Ende der Lehreinheiten im Rahmen der kurzen Meditation rezitierte Sensei Stefan Mayr das Dojo kun (Fünf Dojo-Regeln) mit seiner eindrucksvollen Stimme und Intonierung, die die Teilnehmer gedanklich an die Wurzeln des Karate-do nach Okinawa zurückführte - ein würdiger Abschluß der Trainings!


Sensei Marchini und Sensei Restelli haben uns im Rahmen dieses Lehrganges wieder eindrucksvoll gezeigt, welche Tiefe Karate-do bietet und welche technischen Herausforderungen auf dem Weg zu bewältigen sind. Es war ein Karate-Erlebnis auf höchstem Niveau und wir freuen uns schon auf den Lehrgang im kommenden Jahr (31. Oktober bis 1. November 2009).


HWS