15. Karate-Sommerlehrgang beendet...

28.06.2009 -

25. Juni 2009:

Sensei Ewald Roth konnte mehr als 100 hochmotivierte Karateka aus Österreich, der Schweiz, Deutschland und Italien im Dojo zum gemeinsamen Training begrüßen. Nach dem Aufwärmen zeigte uns Sensei Marchini einfach anmutende Kihon-Kombinationen, deren korrekte Ausführung uns aber eine große Zahl an Herausforderungen beschehrte. Gegen Ende der ersten Einheit wurden die Übungen mit dem Partner wiederholt, wobei der Sensei großes Augenmerk auf maai - die richtige Distanz - legte und erklärte, dass maai die wesentliche Basis für den Karateka im Kampf darstellt und somit Gegenstand dauernder Übung sein muss. Dabei müssen Augen, Körper und Bewegungen (kleine, mittlere und große) harmonisch zusammenspielen, um immer maai zu haben.

Nach einer kurzen Pause wurden drei Gruppen für das nachfolgende Kata-Training gebildet. Die Oberstufe beschäftigte sich unter Leitung von Sensei Marchini eingehend mit Hangetsu, einer der höchst entwickelten Kata des Shotokan. Die Mittelstufe übte mit Sensei Restelli Bassai Dai, wobei es ihr wesentlich auf die korrekte Ausführung des für Bassai Dai typischen großen Hüfteinsatzes ankam. Sensei Boccuni erarbeitete mit der Unterstufe währenddessen im Seminarraum die Kata Heian Nidan.

26. Juni 2009:

Das Kihon-Training am Freitag abend stand wieder im Zeichen von maai, der nützlichen Distanz. Sensei Marchini übte mit den Sportlerinnen und Sportlern anspruchsvolle Arm- und Beintechniken, die ihre Wirkung im Kampf eben nur dann entfalten können, wenn maai vorherrscht. Die Techniken wurden dann auch gemeinsam mit dem Partner geübt, wobei für viele Karateka noch mehr deutlich wurde, wieviel Trainingsaufwand für ein fließendes Zusammenspiel von Auge, Bewegung und Technik notwendig ist. Gegen Ende des Trainings zeigte uns der Sensei noch, wie wichtig es in einer Kampfsituation ist, die jeweilige Situation zu beherrschen und den Gegner zu kontrollieren. Dazu notwendig ist, dass durch henka ("Wechsel") der Gegner gezwungen wird, sich ebenfalls zu bewegen, was dann als Chance für einen erfolgreichen eigenen Angriff genutzt werden kann.

Das anschließende Kata-Training wurde wiederum in drei Gruppen abgewickelt: Sensei Restelli übte mit mit der Oberstufe Kanku Sho ("in den Himmel schauen" - klein). Die Mittelstufe erarbeitete unter Leitung von Sensei Marchini Bassai Dai mit Bunkai, die Unterstufe übte mit Sensei Boccuni Heian Sandan mit Bunkai.

27. Juni 2009 (Vormittag):

Das zentrale Thema des Vormittagstrainings am Samstag war die Fortsetzung der Kihon-Kombinationen, mit denen uns Sensei Marchini bereits am Donnerstag und Freitag die Komplexität von maai und henka nahe brachte. Das Anspruchsniveau der Techniken zeigte sich insbesondere in der Übung mit dem Partner, weil hier jeder Distanzfehler sofort und unmittelbar sichtbar wird. Besonderen Wert legte der Sensei auf die Ausführung der Techiken mit Kraft, die ein ganz zentraler Punkt von Karate-do im Allgemeinen und unserer Stilrichtung im Besonderen ist. Eine Technik, die ohne Kraft - insbesondere ohne Hara - ausgeführt wird, ist nutzlos, sowohl im Kampf, als auch für die weitere Entwicklung des Karateka. Auch wenn die Techniken langsam geübt werden, darf auf den Krafteinsatz nicht verzichtet werden, ohne jedoch die Technik verkrampft auszuführen.

In der Kata-Einheit des Vormittages übte die Gruppe A (Unterstufe) unter Leitung von Sensei Restelli Heian Sandan mit Bunkai, die Mittelstufe (Gruppe B) übte mit Sensei Boccuni Jion und Sensei Marchini erarbeitete mit den Dan-Trägern Kanku Sho mit Bunkai.

27. Juni 2009 (Nachmittag):

Die zweite Trainingseinheit des Samstages stand voll und ganz im Zeichen der Kata, die mit ihren festgelegte Reihenfolgen von Techniken in den Kampfkünsten eine ganz zentrale Rolle für die Vermittlung von Methoden und Kampfstrategien spielen. Das Studium von Kata in Form von Bunkai ermöglicht das Erforschen der Systeme in ihrer Tiefe und die Erschließung ihrer hintergründigen Inhalte. Durch die Wiederholung der einzelnen Techniken mit dem Partner (Kumite) fließt die Erfahrung dieser Übungen als besseres Verständnis der Kampfprinzipien in die Kata zurück - somit entsteht der Kreislauf von Kihon - Kata - Kumite, der die Ausbildungsbasis für jeden Karateka bildet - eine Vernächlässigung eines Teiles führt zwangsläufig zur Unvollständigkeit und Unsicherheit in Technik und Anwendung. Die Unterstufe erweiterte in dieser Übungsstunde ihr Können unter Sensei Boccuni (Heian Yondan), die Mittelstufe erarbeitete Tekki Shodan und die Oberstufe übte unter den kritischen Augen von Sensei Marchini Gojushiho Sho mit Bunkai.

Kokoro International:

Am Ende des Trainings zeigten die Kokoro-Dan-Träger noch einmal die  Kumite-Übungen. Sensei Marchini erklärte dabei die Idee von Kokoro ("Herz, Leidenschaft"), die darin besteht, dass Karate wesentlich mehr als nur Sport ist, sondern weit darüber hinausgehend eine Lebenseinstellung ist. Wie bei allem im Leben kann man das, was man zu tun hat, nur oberflächlich machen, dann ist das Ergebnis auch entsprechend, man kann es aber auch mit "Leidenschaft" tun, was sich dann sichtlich auch im Ergebnis zeigt. Der 10. Grundsatz  von Meister Funakoshi, ara-yuru mono wo karate-ka seyo, soko ni myo-mi ari ("Verbinde dein alltägliches Leben mit Karate, das ist der Zauber der Kunst") zeigt diesen Zugang ganz deutlich.

28. Juni 2009:

Nach dem gemeinsamen Aufwärmen mit Sensei Restelli wurde das Kata-Training vom Vortag fortgesetzt. Die Unterstufe übte Heian Sandan, die Mittelstufe Kanku Dai und die Oberstufe erarbeitete mit Sensei Marchini Meikyo. Wie schon am Samstag legten die Sensei das Schwergewicht auf die kraftvolle Ausführung, vor allem unter Einsatz von Hara, das für jede Kampfkunst ein zentrales Konzept ist. Nur mit dem Einsatz von Hara und der daraus resultierenden Kraft in den Techniken ist wirkungsvolles Karate-do im Sinn der Kampfkunst möglich.

Insgesamt war es ein toller Lehrgang, an dem wir hier teilnehmen konnten. Die von Sensei Marchini dargebotene Form des traditionellen Karate-do läßt wohl erahnen, welche Breite und Tiefe die einzelnen Techniken, die Kata und Kumite eigentlich beinhalten, aber auch welche Herausforderungen diese Form von Karate-Studium hinsichtlich persönlicher Trainings-Konsequenz und Übungsdisziplin bereithält. In eindrucksvoller Weise zeigten uns die Sensei ihr Können bzw. ihre Einstellung zum Karate-do und gaben uns damit wieder viele richtungsweisende Impulse für unseren Weg - herzlichen Dank an die Sensei und an Ewald Roth, der den Lehrgang organisiert hat, sowie an alle fleissigen Hände, die rundherum mitgeholfen haben, für uns die ausgezeichneten Rahmenbedingungen zu schaffen!

HWS